»... Musik ist natürlich sehr viel Wissenschaft. Aber am Ende gibt es inspirierende Aufführungen und langweilige Aufführungen. [...] Es ist überhaupt schon unnatürlich, daß man Musik von toten Komponisten spielt. In Beethovens Zeiten gab es nur Premieren – einmal spielen, vielleicht ein zweites Mal und dann weg; ein neues Stück ... – Aber ab dem Moment, da man den Wunsch hat, vergangene Musik zu spielen, hat man auch die Verpflichtung, diese Vergangenheit möglichst werkgetreu darzustellen.«
(Frans Brüggen in: CONCERTO 99, Dez./Jan. 1994/95, S. 29-33)
»Am liebsten vergleiche ich das mit dem Bau eines Hauses. Das Fundament muss solide sein, dann kann man darauf etwas Sinnvolles errichten. Für mich heißt das: Ich versuche, als Künstler so viel wie möglich zu wissen über das, was ich spiele. [...] ... ich gewinne an Freiheit. Je mehr ich weiß, desto größer ist meine Sicherheit, dass ich keinen Unsinn mache.«
(Der Pianist Rudolf Buchbinder in: Frankfurter Rundschau, 19. Mai 2007)
(Marc Lewon [Webseite] in: Karfunkel 95, August 2011, S. 125)
»... Nachdichtung mittelalterlicher Texte, d. h. einer Übertragung des Inhalts ins moderne Deutsch bei Beibehaltung von Versmaß, Reim und Strophenbau. Dies ist eine ganz schwierige Angelegenheit: Der ›Übersetzer‹ muss selbst ein Dichter sein, sonst wirkt das ganze ungewollt komisch. Selbst auf der Höhe aller stilistischen Mittel und sprachlichen Feinheiten entsteht eine Interpretation des eigentlichen Werkes, kein Abbild. Trotzdem – und das ist das Paradoxe – ist der Vortrag in einer gelungenen Nachdichtung ja ›authentischer‹ als ein Vortrag in Originalsprache, die uns oft mehr durch ihren fremdartigen ›Sound‹ bezaubert als durch den Inhalt: Schließlich haben die damaligen Zuhörer auch ihre Alltagssprache gehört, so konnte die Aussage direkt in Herz und Hirn gehen und Text-Musik-Bezüge sich spontan entfalten. Dies ist besonders bei Oswald ein Plus, denn der Mann hat nicht nur etwas zu singen und zu sagen, sondern bedient sich dabei auch raffinierter stilistisch-sprachlicher Mittel, die fast schon modern zu nennen sind – bis hin zu eigenen Wortschöpfungen, der Mischung verschiedener Sprachen und Dialekte und Überlagerungen mehrerer Texte, wobei wieder etwas Neues entsteht. Ganz zu schweigen vom direkten Zugriff auf Alltagsmissgeschicke und Erotik.«
(Dr. Lothar Jahn in einer Buchkritik zu »Wie eine Feder leicht. Oswald von Wolkenstein – Lieder und Nachdichtungen« von Hans Moser, Innsbruck 2012)
»Dieselbe Melodie konnte munter-rasch gesungen werden oder feierlich-getragen,
je nachdem, ob sie mit einem weltlichen oder geistlichen Liedtext kombiniert
war. In der damaligen Notationstechnik wurden nur die (relativen) Tonhöhen
angegeben, nicht aber die Tempi. Zwar lassen Bestimmungen wie allegro oder adagio auch heute noch interpretatorische Freiheiten zu, aber
der Spielraum ist hier recht eng geworden. Zur Variabilität der Tempi
kam in Oswalds Zeit noch dies: ein großer
Spielraum in der Besetzung der Singstimme, fast völlige Freiheit in
der Besetzung der Begleitinstrumente – zumindest bei den einstimmigen Liedern.
Denn hier ist nur die Gesangsmelodie notiert, und die kann, beispielsweise,
von einem Tenor wie von einem Bassisten gesungen werden. Und keine Hinweise
zur Begleitung. Der Sänger kann also unbegleitet singen, kann sich
mit einem Instrument selbst begleiten, kann sich von mehreren Musikern
begleiten lassen.
[...]
Bei einem einstimmigen Lied konnten Spielleute in der Improvisation zusammenfinden;
bei der Aufführung polyphoner Musik mussten die Musiker aufeinander
eingespielt sein ... Die erste wirklich intensive, auch extensive Beschäftigung
mit polyphoner Satzkunst finden wir im deutschsprachigen Bereich bei Oswald
von Wolkenstein.«
Dieter Kühn: ICH WOLKENSTEIN – Biographie; © 1977, 1980, 1988 Insel-Verlag; © 1996 Fischer Taschenbuch Verlag
James Tyler (»Early Music Consort of London«) 1971